„Ein Blick ins Gesetz wirkt manchmal Wunder“ – das sagt eine alte juristische Weisheit. Nun ja, zu einem Wunder ist es nicht gekommen, als dieser Autor zwecks Vorbereitung einer Vorlesung zum Thema „Gewerblicher Rechtsschutz“ und die in der Vorlesung wohl zu erwartende Frage nach „Freigabe der Patente für Impfstoffe“ angesichts der COVID-19-Pandemie die §§ 13 und 24 des Patentgesetzes (PatG) nachschlug. Die dann erfreulicherweise nicht bei § 24 (1) PatG endende Lektüre hat eine Möglichkeit zur Nutzung eines durch ein anderes Patent mit älterem Zeitrang blockierten Patents aufgezeigt, die im Rahmen der gewöhnlichen Rechtspraxis anscheinend gern übersehen wird und bis heute in Rechtsstreiten über Patente wohl nicht erörtert worden ist. Diese Möglichkeit wird nachfolgend aufgezeigt, wobei zunächst ein Überblick über die grundsätzlich bekannten Regelungen, die zur „Freigabe der Impfstoff-Patente“ in Frage kommen, folgt.
Warum lange über deutsches nationales Patentrecht schreiben? Da sind doch auch Europäische Patente und seit kurzem auch Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, nennen wir sie „Einheitspatente“.
Ein „klassisches“ Europäisches Patent ist bekanntlich ein Bündel nationaler Patente und wird in jedem Staat, für den es erteilt ist, wie ein nationales Patent behandelt. Somit gilt das hier Ausgesagte für klassische Europäische Patente in Deutschland unmittelbar auch.
Wesentliche Eigenschaften des Einheitspatents sind definiert in der EU-Verordnung Nr. 1257/2012 (VO-Einheitspatent), wobei Art. 3 (2) VO Einheitspatent den einheitlichen Charakter mit einheitlichem Schutz und gleicher Wirkung in allen Mitgliedsstaaten der EU, die am System des Einheitspatents teilnehmen (Teilnehmerstaaten), bestimmt, und Art. 7 VO-Einheitspatent die vermögensrechtliche Behandlung des Einheitspatents unter dem Recht eines entsprechend der Nationalität oder dem Sitz des Patentanmelders oder einem aus einer Mehrzahl von Patentanmeldern bestimmten Patentanmelder festzulegenden Teilnehmerstaats bestimmt. Mit Ausnahme des Art. 8 VO-Einheitspatent, der eine Möglichkeit zur Erklärung der Lizenzbereitschaft bezüglich eines Einheitspatents schafft, ist somit kein neues einheitliches Vermögensrecht gesetzt worden, nach welchem sich Angelegenheiten wie Inhaberschaft, Verwertung, Übertragung und Lizensierung richten, sondern es wird auf entsprechendes nationales Recht zurückgegriffen. Man darf also erwarten, dass es Einheitspatente geben wird, die in den genannten Angelegenheiten nach deutschem Recht behandelt werden, nämlich die Einheitspatente mit deutschen Patentanmeldern. Findet sich bei einem Einheitspatent kein Patentanmelder mit Staatsangehörigkeit eines Teilnehmerstaats oder Sitz in einem solchen, dann bestimmt Art. 7 (3) VO-Einheitspatent, dass das Recht des Staates, in dem die Europäische Patentorganisation ihren Sitz hat, zur Anwendung kommt. Dieser Staat ist Deutschland, und es kommt demnach bei einem Einheitspatent ohne Patentanmelder mit Staatsangehörigkeit eines Teilnehmerstaats oder Sitz in einem solchen deutsches Recht zur Anwendung. Neben den Einheitspatenten deutscher Patentanmelder unterliegen auch die Einheitspatente der Anmelder, die weder die Staatsangehörigkeit eines Teilnehmerstaats noch einen Sitz in einem Teilnehmerstaat haben, und das werden sehr viele sein!
Die Frage, welche Institution zur Regelung einer vermögensrechtlichen Streitigkeit über ein Einheitspatent anzurufen ist, klärt sich zunächst anhand des Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ), welches die Teilnehmerstaaten untereinander abgeschlossen haben. Die Zuständigkeiten des Einheitlichen Patentgerichts bestimmt Art. 32 (1) EPGÜ, und zwar ausschließliche Zuständigkeiten für Klagen wegen Patentverletzungen, Klagen auf Nichtigerklärung von Patenten, Klagen auf Zahlung einer Lizenzgebühr unter Art. 8 VO-Einheitspatent und Klagen verwaltungsrechtlicher Art unter Art. 9 VO-Einheitspatent. Zum hier interessierenden Thema der Zwangslizenzen findet sich nichts explizites, allerdings bestimmt Art. 32 (2) EPGÜ die Zuständigkeit nationaler Gerichte der Teilnehmerstaaten für alle Klagen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts fallen. Dies schlägt die Brücke zu Art. 7 VO-Einheitspatent. Endgültige Klärung liefert § 16 des Gesetzes über Internationale Patentübereinkommen: Ein Einheitspatent ist in Bezug auf die Vorschriften des Patentgesetzes über die Erteilung einer Zwangslizenz wie ein nationales deutsches Patent zu behandeln. Somit muss eine Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz an einem Einheitspatent, welches nach Art. 7 VO-Einheitspatent deutschem Recht unterfällt, entsprechend § 24 PatG beim Bundespatentgericht eingereicht werden und nicht beim Einheitlichen Patengericht.
Die §§ 13 und 24 PatG definieren Ausnahmen vom Grundsatz des § 9 PatG, nach dessen Satz 1 „allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen“, und nach dessen Satz 2 es „[jedem] Dritten … verboten [ist], ohne seine Zustimmung“ den Gegenstand des Patents zu benutzen. Dieser Grundsatz hat in bestimmten Fällen Ausnahmen, und auf diese Ausnahmen ist in der öffentlichen Diskussion angesichts der COVID-19-Pandemie mit dem Verlangen nach „Freigabe der Patente auf COVID-19-Impfstoffe“ korrekterweise Bezug genommen worden.
Gemäß § 13 (1) Satz 1 PatG kann die Bundesregierung die Wirkung eines Patents dadurch aufheben, dass sie die Benutzung der Erfindung „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ anordnet, und gemäß § 13 (1) Satz 2 PatG kann auch das Verteidigungsministerium oder eine von diesem Ministerium beauftragte, nachgeordnete Behörde „im Interesse der Sicherheit des Bundes“ dasselbe tun. Ein von solcher Anordnung beschwerter Patentinhaber kann sich gemäß § 13 (2) PatG vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen eine solche Anordnung wehren. Das dicke Ende kommt mit § 13 (3) PatG: Der beschwerte Patentinhaber hat gegen den Bund einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Wenn auch das letzte Kriterium eine Empfehlung an den Bund zu beinhalten scheint, von § 13 (1) PatG nur äußerst sparsamen Gebrauch zu machen, so ist damit doch ein Werkzeug gegeben, um der „öffentlichen Wohlfahrt“ die Nutzung eines Patents auch gegen den Willen des Patentinhabers zu ermöglichen, womit eine weitere Voraussetzung für eine solche Anordnung impliziert ist: Es wird nicht genügen, ein „Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ festzustellen, es wird auch notwendig sein, einen gewissen Mangel an Mitwirkung des Patentinhabers zur Nutzung seines Patents festzustellen. Für den lange und ausgiebig in der Öffentlichkeit diskutierten Fall der „Freigabe der Patente“ für COVID-19-Impfstoffe mag man ein Interesse der öffentlichen Wohlfahrt durchaus feststellen wollen – von einem Mangel an Mitwirkungsbereitschaft bei den Inhabern dieser Patente hat der Autor in solchen Zusammenhängen jedenfalls nichts gehört. Vielleicht waren und sind diese Inhaber ja kooperativ?
Anzumerken ist, dass zu § 13 PatG bis heute anscheinend keine obergerichtlichen Entscheidungen veröffentlicht worden sind. Jedenfalls nennen weder der Benkard-Kommentar, 11. Auflage, noch der Becksche Online-Kommentar, 23. Auflage, eine solche Entscheidung.
Anzumerken ist auch, dass sich zu § 13 PatG keine Vorschriften im Gesetz über Internationale Patentübereinkommen finden. Nach dem oben Gesagten hat § 13 PatG ist der Bedarf an einer entsprechenden Regelung auch wohl eher gering. Im Fall der Fälle wird man wohl § 16 des Gesetzes über Internationale Patentübereinkommen entsprechend anwenden müssen, wobei allerdings die Idee der einheitlichen Wirkung einer Entscheidung der deutschen Regierung oder deren Verteidigungsministeriums in allen Teilnehmerstaaten diskussionsbedürftig werden könnte.
Eine weitere Möglichkeit zur Nutzung des Gegenstandes eines Patents gegen den Willen des Patentinhabers eröffnet § 24 PatG mit der Möglichkeit der Erteilung einer Zwangslizenz an dem Patent, wozu weder eine Aktion von Seiten der Bundesregierung noch eine Aktion von Seiten des Verteidigungsministeriums notwendig sind, sondern wozu ein an der Nutzung des Patents interessierter Dritter beim Bundespatentgericht einen Antrag auf Erteilung der Zwangslizenz stellen muss.
Eine erste Voraussetzung für einen Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz ist, dass der Lizenzsucher nach § 24 (1) Nr. 1 PatG „sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen“. Der Unwille des Patentinhabers zur Erteilung einer Lizenz muss sich somit in entsprechenden erfolglosen Verhandlungen erwiesen haben. Eine zweite Voraussetzung für einen solchen Antrag ist nach § 24 (1) Nr. 2 PatG, dass „das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet“. Der eine Zwangslizenz suchende Dritte muss dem Bundespatentgericht die Erfüllung beider Voraussetzungen darlegen, das erfolglose Bemühen um eine Lizenz ebenso wie das öffentliche Interesse an deren Erteilung. Im Fall der Forderung nach „Freigabe der Patente“ für COVID-19-Impfstoffe mag man ein eine Zwangslizenz gebietendes öffentliches Interesse der öffentlichen Wohlfahrt annehmen wollen. Es scheint aber keine Weigerung der Patentinhaber an der Erteilung bilateraler Lizenzen zu angemessenen Bedingungen gegeben zu haben.
Im Gegensatz zu Fällen des § 13 PatG sind einige Fälle des § 24 (1) PatG rechtshängig geworden. So nennt der Becksche Online-Kommentar zum Patentrecht, 23. Auflage die vom Bundesgerichtshof erlassenen Entscheidungen „Polyferon/Interferon-gamma“, X ZR 26/92 vom 5. Dezember 1995, GRUR 1996, 190, „Raltegravir“, X ZB 2/17 vom 11. Juli 2017, GRUR 2017, 1017, und „Alirocumab“, X ZB 2/19 vom 4. Juni 2019, GRUR 2019, 1038. Alle diese Entscheidungen betreffen Zwangslizenzen für pharmazeutische Wirkstoffe, unter anderem einen Wirkstoff zur Therapie von HIV.
Wenn man die Lektüre des § 24 PatG nicht bei seinem die Zwangslizenz nur im obigen Sinne betreffenden Absatz 1 abbricht und über den Absatz 2 hinaus fortsetzt, so findet man eine weitere Möglichkeit zur Nutzung eines Patents gegen den Willen des Patentinhabers, eine Möglichkeit, die nicht nur die Einschränkung der Wirkung des Patents im Sinne eines Verbietungsrechts beinhaltet, sondern die auch eine Konkretisierung der Wirkung eines Patents im Sinne der gemäß § 9 PatG allein (es sei denn wie oben dargelegt…) dem Patentinhaber zukommenden Befugnis zur Benutzung der Erfindung beinhaltet.
- 24 (2) PatG ermöglicht die Erteilung einer Zwangslizenz für einen Fall, dass der Inhaber eines Patents mit jüngerem Zeitrang eine ihm durch dieses Patent geschützte Erfindung nicht verwerten kann, ohne ein Patent mit älterem Zeitrang zu verletzen – wobei das Patent mit jüngerem Zeitrang also entsprechend üblichem Sprachgebrauch ein von dem Patent mit älterem Zeitrang „abhängiges“ Patent ist. Unter den nachfolgend dargelegten Voraussetzungen gibt § 24 (2) PatG dem Inhaber des abhängigen Patents gegenüber dem Inhaber des Patents mit dem älteren Zeitrang einen Anspruch auf Einräumung einer Zwangslizenz.
Die erste dieser Voraussetzungen ist wiederum, dass der Inhaber des Patents mit dem jüngeren Zeitrang sich gemäß § 24 (2) Nr. 1 PatG innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Inhaber des Patents mit dem älteren Zeitrang die Zustimmung zu erhalten, die durch das Patent mit dem älteren Zeitrang geschützte Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen.
Die zweite Voraussetzung besteht gemäß § 24 (2) Nr. 2 PatG darin, dass die im abhängigen Patent geschützte Erfindung „im Vergleich mit derjenigen des Patents mit dem älteren Zeitrang einen wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung aufweist“.
Nicht zu den Voraussetzungen des § 24 (2) PatG gehört ein öffentliches Interesse an der Erteilung der Zwangslizenz.
Somit kann der Inhaber eines abhängigen Patents die Erteilung einer Lizenz erzwingen – unter der Voraussetzung, dass die im abhängigen Patent geschützte Erfindung einen wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung aufweist. Die unbestimmten Rechtsbegriffe häufen sich in dieser Bestimmung, und es bleibt vorerst die Hoffnung, dass die einschlägige Rechtsprechung Klarheit schafft. Bislang liegt dazu allerdings wenig vor. Der Becksche Online-Kommentar zum Patentrecht, 23. Auflage, nennt immerhin die oben schon erwähnte Entscheidung „Polyferon/Interferon-gamma“ mit dem Hinweis, dass die bloße Tatsache der Abhängigkeit eines Patents von einem anderen Patent als Voraussetzung für die Erteilung einer Zwangslizenz nicht genüge. Einen „wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ hat offensichtlich noch niemand dem Bundespatentgericht oder dem Bundesgerichtshof vorzutragen versucht. Die Frage, welche konkreten Umstände vorliegen müssen, um dieses Kriterium zu bejahen, steht derzeit unbeantwortet.
Zwei Aspekte seien noch erwähnt: § 24 (2) Nr. 2 PatG erlaubt es dem Inhaber des älteren Patents, im Gegenzug zur Zwangslizenz eine Gegenlizenz zur Nutzung des Patentmit jüngerem Zeitrang zu angemessenen Bedingungen zu fordern. § 24 PatG kann dem Inhaber eines abhängigen Patents somit keine exklusive Nutzung gewährleisten. Dies mag von Bedeutung sein für den Fall, dass ein neues Geschäft auf ein abhängiges Patent gegründet werden soll. Des Weiteren erfordert § 24 (2) Nr. 2 PatG auch, dass Belege für den technischen Fortschritt und die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung vorgelegt werden: Es ist notwendig, sowohl technische als auch wirtschaftliche Details einer beabsichtigten Nutzung darzulegen, und dies eben auch zur Kenntnis des Inhabers des älteren Patents. Dies wird der Inhaber des abhängigen Patents wohl nicht in jedem Fall schätzen. Abhilfe vor unerwünschter Publizität ist möglicherweise über die verfahrensrechtlichen Vorschriften zu erlagen: Die §§ 81 und 145a PatG beziehen die Regelungen der §§ 16 bis 20 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) in das Klageverfahren betreffend eine Zwangslizenz nach § 24 PatG ein, worüber ein Schutz für im Streitfall vorzutragende Geschäftsgeheimnisse – auch gegenüber der beklagten Partei – zu erlangen wäre.
Über die Erlangung eines abhängigen Patents, welches Möglichkeiten schützt, die geeignet sind, ein bis dahin nicht oder mit nur wenig wirtschaftlichem Erfolg genutztes Patent mit älterem Zeitrang mit wesentlich vergrößertem wirtschaftlichem Erfolg zu nutzen, kann eine Befugnis zur Nutzung eines Patents mit älterem Zeitrang erzwungen werden. Dies ermöglicht die Gründung eines neuen und vom Inhaber des älteren Patents weitgehend unabhängigen Geschäftes, wenn auch unter der Nebenbedingung, dass der Inhaber eines älteren Patents auf Verlangen eine Gegenlizenz mit entsprechenden Nutzungsrechten erhält.
In einer Situation, in der es um die Notwendigkeit der Nutzung eines durch ein älteres Patent geschützten Standards geht, mag der Aspekt der Gegenlizenz von geringer Bedeutung sein, wenn durch die Erlangung eines abhängigen Patents mit entsprechender technischer und wirtschaftlicher Bedeutung die Erteilung einer Zwangslizenz an dem älteren Patent erzwungen werden soll. Eine Möglichkeit zur Sicherstellung des Zugangs zu einem patentgeschützten Standard durch ein, wenn auch abhängiges, Patent scheint hier gegeben und durchaus attraktiv zu sein.
Die hierin enthaltenen Bezugnahmen auf „Patente“ sind übrigens absichtlich vorgenommen worden: Sowohl Anordnungen nach § 13 PatG als auch Zwangslizenzen nach § 24 PatG kommen nach einhelliger Meinung der Kommentatoren nur in Frage, wenn tatsächlich erteilte Patente zu Grunde liegen – insbesondere müssen im Fall des § 24 (2) PatG beide in Betracht stehenden Patente erteilt sein. Im Fall des § 24 (2) PatG erscheint es jedenfalls empfehlenswert, das abhängige Patent so früh wie möglich anzumelden und so schnell wie möglich zur Erteilung zu bringen, damit eine in Aussicht genommene Nutzung durch Verhandlungen mit dem Inhaber des älteren Patents und, falls erforderlich, Erwirkung einer Zwangslizenz vorbereitet werden kann.
Auf die Frage, ob noch Einspruchsfristen laufen oder Einspruchsverfahren laufen, dürfte es im Zusammenhang mit §§ 13 und 24 PatG nicht ankommen. Ob auch Gebrauchsmuster in Betracht kommen? Als Grundlage für Anordnungen nach § 13 PatG und Zwangslizenzen nach § 24 PatG wohl ja, als Grundlage für die Erzwingung einer Zwangslizenz gemäß § 24 (2) PatG – als ungeprüfte Schutzrechte – wohl eher nein.
Ob § 24 (2) PatG jemals praktische Bedeutung erlangt, dürfte nach der begrüßenswerten Regelung des Schutzes eventueller Geschäftsgeheimnisse über § 145a PatG in erster Linie durch die Auslegung und Anwendung des Kriteriums „wichtiger technischer Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ bestimmt werden.
Muss die Rechtspraxis zum vormaligen Patentierungskriterium des Fortschritts reaktiviert werden? Spricht die Tatsache, dass ein abhängiges Patent erteilt wurde, nicht schon für einen wenigstens graduellen Fortschritt über den Gegenstand des älteren Patents, zumindest dann, wenn das ältere Patent in Bezug auf das jüngere Patent zum vorveröffentlichten Stand der Technik gehört? Wie ist der „wesentliche wirtschaftliche Wert zu bemessen – relativ zum wirtschaftlichen Wert des Patents mit älteren Zeitrang (dann hätte die nachgeordnete Erfindung, die eine wirtschaftlich bedeutende Nutzung des älteren Patents erst ermöglicht, eine Chance), oder möchte man Grenzwerte absolut beziffert haben? Oder möchte man das Kriterium erst erfüllt sehen in einer Situation, die so exotisch ist, dass sie im wirklichen Leben kaum jemals vorkommt? Die weitere Entwicklung wird es weisen müssen.
Immerhin ist mit der Einführung der Einheitspatente eine beträchtliche Ausweitung des Anwendungsbereichs für § 24 (2) PatG verbunden. Eine vergrößerte Hoffnung, dass sich ein Prinz findet, der Dornröschen wachküsst, wird man sich erlauben dürfen.
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